Projektleitung: Vera Benz, Benjamin Gmür, Marius Roth und Marc-André Zehnder
Institution: BBW Winterthur
Kontakt: vera.benz@bbw.ch

Das Lernen hört mit Abschluss der Schulzeit nicht auf. Im Gegenteil – oft brauchen wir es sogar mehr als zuvor, z.B. für ein Studium. Doch wie lernt man Lernen? Was braucht es, um sinnvoll, nachhaltig und effizient lernen zu können? Hier greift unser Projekt LifeLongLearning.

LifeLongLearning

Beschreibung

Der Übergang von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II – in diesem Fall die BMS – ist nicht einfach. Ein grosses neues Schulhaus, Unterricht an unterschiedlichen Standorten, viele neue Gesichter und die zunehmende Selbstverantwortung und -organisation. All dies muss neben der grossen Menge an Unterrichtsstoff bewältigt werden. Zahlreiche Lernende hatten eine mehrjährige Pause nach ihrer Berufsausbildung und steigen nun in die BM2 ein. Dies zum Teil prüfungsfrei, denn das neue Reglement sieht vor, dass eine EFZ-Abschlussnote von mindestens 5 den Zugang zur BM2 gewährleistet. Somit fällt der Prüfungsdruck erst einmal weg und somit auch das Lernen, Repetieren und Stoff-Einteilen vor dem Schuleintritt.

Mithilfe von Lern- und Arbeitsstrategien lässt sich nicht nur dieser Übergang, sondern auch die gesamte BMS-Schulzeit und ein daran anknüpfendes Studium erfolgreicher bewältigen. Und genau da liegt unser Fokus, das Kernstück unseres Projektes: Das nachhaltige Vermitteln von Lern- und Arbeitsstrategien, die unsere Lernenden und Studierenden während und nach ihrer BMS-Zeit – also z.B. an der Fachhochschule oder Universität - nutzen können. Die Studierfähigkeit wird erhöht und damit auch der zukünftige Studienerfolg. Somit ist die Vermittlung von Lernstrategien auch ein wertvolles Instrument zur Bildungsgerechtigkeit.

Das Projekt LifeLongLearning startete bereits im Schuljahr 2022/2023 und ist auf zwei Jahre ausgelegt. Diese Projektskizze bzw. -eingabe beinhaltet daher zusätzlich den aktuellen Projektstand.

Innovationspotenzial

Bisher wurden an der BBW ausgewählte Lernstrategien als «grosses Ganzes» vor allem zu Beginn des Schuljahres im Rahmen einer Einführungsveranstaltung zu Lern- und Arbeitstechniken (LAT) vermittelt. Die Lernenden hatten daraus resultierend einen Überblick über die Thematik und konnten Strategien ausprobieren, die ihnen ihres Ermessens nach fehlen. Die Hauptinnovationen des Projekts LifeLongLearning bestehen einerseits in der Systematisierung und andererseits in der Individualisierung der Lernkompetenzförderung als schulweites Thema.

Ausgehend von einer systematischen Erfassung des Nutzungsverhaltens bezüglich verschiedener Lern- und Arbeitsstrategien auf Ebene des einzelnen Lernenden, der Klasse und der Gesamtschule sollen gezielte Angebote zur Lernstrategieförderung auf allen drei Ebenen erarbeitet und weiterentwickelt werden. Mit Blick auf das Ziel der Individualisierung und Systematisierung bietet eine Erfassung der individuellen Lernstrategie-Nutzung die Möglichkeit zur Sensibilisierung, Früherkennung und folglich gezielten Beratung und Begleitung von Lernenden. Die Lernenden werden mit Eintritt in die BMS motiviert, sich mit ihrem eigenen Lernverhalten auseinanderzusetzen und dieses zu reflektieren. Ressourcen und Entwicklungspotentiale werden sichtbar, die im Anschluss für die Planung, Gestaltung und Unterstützung des Lernprozesses genutzt werden können. Auf Ebene der Schule können die gewonnen Daten wiederum in anonymisierter Form für die bedarfsgerechte Gestaltung von Unterstützungsangeboten genutzt werden.

Eine Systematisierung erfolgt nicht nur auf der Ebene der Erfassung der Lernstrategie-Nutzung von Lernenden. So geht es zweitens nicht mehr nur um eine punktuelle theoretische Vermittlung von Wissen zu ausgewählten Lernstrategien. Das Projekt umfasst verschiedene Teilprojekte zur nachhaltigen und systematischen Förderung von lernstrategischen Kompetenzen bei Lernenden und Lehrpersonen innerhalb der Schule. Dabei wird das Projekt vernetzt gestaltet, verschiedene Disziplinen arbeiten zusammen. Der Lead liegt in der Fachschaft Sozialwissenschaften, ausgewiesene Psychologen und Soziologinnen arbeiten die theoretischen Grundlagen auf, Lehrpersonen aller Disziplinen helfen bei der Implementierung in den Schulalltag.

Systematisierung bedeutet drittens, dass wir uns bei der Lernstrategie-Förderung im Hinblick auf die vermittelten Inhalte, die verwendeten Methoden und das Vorgehen an theoretisch fundierten und empirisch als wirksam erwiesenen Quellen orientieren. Diagnostik und Förderangebote orientieren sich an einem gemeinsamen theoretischen Rahmenmodell von Martin und Nicolaisen (2015). Eine weitere Innovation bildet die Verknüpfung von Face-to-Face und digitalen Elementen, die Abwechslung von Hol- und Bring-Angeboten und das zeitlich und örtlich unabhängige Zurverfügungstellen von Inhalten. Dabei werden die Angebote, Ressourcen, etc. in einem zentralen Ressourcenpool im schulinternen LMS OLAT gebündelt und Lernenden sowie Lehrenden zugänglich gemacht. Als weiteres Innovationspotenzial ist schliesslich die Option zu nennen, dass LifeLongLearning als Koffer-Projekt auch für andere Schulen verwendet werden kann. Erfahrungen an der BMS BBW können im nächsten Schuljahr noch eingebracht werden und damit kann das Projekt weiterentwickelt und verbessert werden. Ab Schuljahr 2024/25 könnte LifeLongLearning intra- und interkantonal genutzt werden.

 

Didaktisch-methodisches Konzept

Zur Vermittlung von Lernstrategien gibt es eine Vielzahl an Fachliteratur. Wegweisend ist nach wie vor der von Friedrich/Mandl (1992) präsentierte Ansatz, wo zunächst zwischen indirekter und direkter Förderung unterschieden wird. Indirekte Förderung über Situationsgestaltung gehört zum didaktischen Repertoire einer jeden Lehrperson, besonderes Interesse kommt in unserem Rahmen der direkten Förderung zu, wo «Prinzipien des effektiven Lernens und Denkens explizit genannt und vermittelt [werden], und […] Gelegenheit gegeben [wird], diese Prinzipien an speziell hierfür ausgewählten Aufgaben zu üben» (Friedrich/Mandl 1992, S. 29). In Anlehnung an vorangehende Arbeiten präsentieren die Autoren folgendes 4-Schritte-Modell (vgl. ebd., S. 31ff.), welches uns als «theoretischer Überbau» für die Förderung von Lernstrategien dient:

Lernstrategien.jpeg

Abbildung 4: In Anlehnung an Friedrich H.F. & Mandl, H. (1992): Lern- und Denkstrategien – ein Problemaufriss. In: Dies. (Hg.): Lern- und Denkstrategien. Analyse und Intervention. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe.

1. Schritt: Sensibilisierung für die Relevanz optimaler Strategien

Für die «Aufrechterhaltung von Strategien über die Trainingsphase hinaus» (ebd.) sei es gemäss Friedrich/Mandl (1992) unabdingbar, die Lernenden von deren Nutzen zu überzeugen. Die Autoren schlagen hierfür Selbstreflexion, die Präsentation und Demonstration von verschiedenen Modellen und Strategien und deren Vergleich vor.

Umsetzung im Projekt LifeLongLearning: Mit einer erweiterten Einführungsveranstaltung zum Thema Lernstrategien in den ersten Schulwochen wird dem Thema von Beginn weg Gewicht verliehen. Jeder und jede neu eintretende BM-Lernende nimmt obligatorisch an der vom LLL-Team geplanten und durchgeführten Veranstaltung teil. In diesem Rahmen werden die Lernenden zur Relevanz von Lernstrategien für den Lernerfolg an der BMS und später im Studium sensibilisiert. Dies erfolgt über die Vermittlung von Fakten und Forschungsergebnissen zum «Erfolgsfaktor» Lernstrategien. Die Lernen-den werden zudem gebeten, Ihre individuellen Lernstrategie-Profile (Spiderwebs) an die Veranstaltung mitzubringen und werden darüber aufgeklärt wie diese interpretiert werden können. Schliesslich vermittelt die Einführungsveranstaltung Wissen über den Lernprozess (Wie funktioniert unser Gedächtnissystem? / Was geschieht im Gehirn beim Lernen?) und regt dazu an Lernwissen über sich selber aufzubauen (Wie lerne ich persönlich und weshalb?).

Evaluation und Learning: Der interaktive Charakter der Veranstaltung, in der auch Lernende zu Ihren Erfahrungen mit Lernstrategien zu Wort kommen und Fragen stellen können, soll beibehalten werden. Für die Zukunft soll zudem geprüft werden, ob auch ehemalige BMS-Lernende bzw. Studierende an der Einführungsveranstaltung einbezogen und zum Nutzen von Lernstrategien zu Wort kommen. Ebenfalls sollen auch alle Lehrpersonen die Veranstaltung besuchen, um auch im Lehrkörper für das Thema weiter zu sensibilisieren.

2. Schritt: Erwerb von deklarativem Wissen über die jeweilige Strategie

Lernende müssen sodann das deklarative Wissen über Lernstrategien erwerben. Umsetzung im Projekt LifeLongLearning: Im Rahmen der Einführungsveranstaltung wird den Teil-nehmenden entlang der vier Lernstrategie-Kategorien (kognitive, metakognitive, Stütz- und Motivations-strategien) aus dem LSN-Fragebogen Wissen zu ausgewählten Strategien und Techniken vermittelt. Diese müssen jedoch zwingend im Unterricht noch einmal repetiert und vertieft werden. An einer Schilf-Tagung haben wir deswegen die Fachschaften darum gebeten, die von uns präsentierten Strategien auf ihr Fach hin zu reflektieren und nach Möglichkeiten der Umsetzung zu suchen.

3.Schritt: Prozeduralisierung

Mit speziell ausgewählten «prototypischen» Aufgaben werden Strategien im Fachunterricht eingeübt. Umsetzung im Projekt LifeLongLearning: Die Einführungsveranstaltung für sich reicht nicht aus: Sie bietet eine deklarative Übersicht über die wichtigsten Strategien. Wenn die kennengelernten Strategien aber nicht konkret im Unterricht prozeduralisiert und automatisiert werden, ist die Veranstaltung kaum nachhaltig. An einer BMS herrscht im Gegensatz z.B. zum Gymnasium ein erhöhter Zeitdruck, dennoch sollte die Vermittlung von Lernstrategien aktiv und direkt in jeden Fachunterricht eingebaut werden. Um die Prozeduralisierung im Fachunterricht zu unterstützen, sind wir daran diverse Lehr-Lern-Arrangements zu erarbeiten, die auf dem LifeLongLearning-Ressourcenpool auf OLAT für Lernende und Lehrende zugänglich gemacht werden. Diese weisen exemplarischen Charakter auf und sind so konzipiert, dass sie von den Lehrpersonen und Fachschaften auf Ihre Fächer und Lerngegenstände hin adaptiert werden können.

Die Vermittlung und Automatisierung der Lernstrategien sollte unter den Fächern abgestimmt werden. In den Sprachfächern wird bereits vom Lehrplan die Vermittlung von eigenständiger Recherche und Verstehensstrategien vorgegeben. Gerade das effiziente Schreiben von Zusammenfassungen und Notizen während dem Unterricht muss aktiv behandelt werden, so muss z.B. die Reduktion auf das Wesentliche immer wieder eingeübt werden, bis sie sich automatisieren kann. Die weiteren Geisteswissenschaften (Geschichte und Politik, Wirtschaft und Recht) sollten dies fachspezifisch ebenfalls aufnehmen. Transfer und Heuristik wird im Mathematikunterricht fokussiert. Hier können auch die Naturwissenschaften ansetzen. Die Rückmeldungen der Fachschaften haben ein ähnliches Bild gezeigt und werden von uns als Grundlage zur Erarbeitung von Konzepten aufgenommen.

4. Schritt: Automatisierung

Damit sich eine Strategie automatisiert, wird sie im Fachunterricht an weiteren Aufgabenklassen geübt. Umsetzung im Projekt LifeLongLearning: Ein Konzept zur koordinierten Lernstrategieförderung in einem Fachlehrpersonen-System wurde erarbeitet. Ein Pilotprojekt zur Umsetzung in einem Lehrpersonenteam einer Klasse ist für das 2. Semester des Schuljahres 2022/2023 oder das Schuljahr 2023/2024 in Planung.

2. Ausblick auf geplante Teilprojekte im Schuljahr 2023/2024

A. Überarbeitung des Fragebogens und Erfassung der Lernstrategie-Nutzung Anfang Schuljahr 2023/2024

B. Evaluation, kooperative Weiterentwicklung und Umsetzung von Lehr-Lernarrangements

C. Erarbeitung, Durchführung, Evaluation und Weiterentwicklung von individualisierenden Work-shops

D. Erarbeitung und Evaluation eines Konzepts zur Unterstützung der (Klassen-)Lehrpersonen bei der Sensibilisierung und Früherkennung von Lernenden mit erhöhtem Unterstützungsbedarf im Be-reich der Lernstrategien

E. Evaluation und Bedarfsklärung von individualisierten Angeboten zur Lernstrategieförderung

F. Pflege und Ausbau des Ressourcenpools

G. Wirksamkeitsstudie

H. Dokumentation zu einem Kofferprojekt

Wirkung

Insbesondere werden Studierfähigkeit, Selbstorganisation, Selbstwirksamkeit und Persönlichkeitskompetenzen durch Einbezug von Lern- und Arbeitsstrategien stark gefördert. Diese Kompetenzen brauchen die Lernenden (BM1) und Studierenden (BM2) nicht nur während ihrer Schulzeit an der BMS, sondern auch für ein Studium, im Beruf und sogar im privaten Bereich.

Beispiel: Eine sinnvolle Zeitplanung mit genügend Pausen erhöht die Vereinbarkeit verschiedener Engagements und sorgt ebenfalls für mentale Entlastung. Wer möchte nicht gut, gerne und gesund studieren, arbeiten und “leben”?

 
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