Projektleitung: Christian Roduner, Wolfgang Pfalzgraf, Liliane Wihler und Christof Glaus
Institution: Berufsbildungsschule Winterthur
Kontakt: christian.roduner@bbw.ch

In einer schulübergreifenden Klimakonferenz zusammenarbeiten und Handlungskompetenzen stärken

TransScolar

Beschreibung

In der Umsetzung des DLH-Projekts "Qualitatives Lernen" versuchten wir möglichst viele Lehrplaninhalte in die Praxis zu bringen und so zur Handlungskompetenz (HK) entwickeln, indem wir sie in ein Rollenspiel eines fiktiven Rechtfalles einbauen. Damit integrieren wir Anwendungsübungen und Kleinprojekte der Einzelfächer in einen fächerübergreifenden und durchgängigen Projektunterricht. Die meisten Lernenden sind begeistert und auch viele Lehrerkolleg:innen wollten von sich aus mitwirken. Dabei kam uns die Idee, unseren Ansatz nun auf ein höheres Niveau zu bringen: einen schulübergreifenden Projektunterricht. Jetzt, wo die Schulen, die Lehrpersonen (LP) und mit BYOD auch die Lernenden technisch gut ausgerüstet und vernetzt sind, wird das möglich. Konkret haben wir ein Rollenspiel realisiert, in dem Klassen aus verschiedenen Schulen an einer Online- oder Offline-Klimakonferenz teilnehmen, ähnlich dem National Model United Nations (NMUN). Jede Klasse nimmt die Rolle eines Konferenzteilnehmers, also eines Landes ein. Als Klasse bereiten sie ihre Positionierung vor, schmieden Allianzen mit andern Klassen und verhandeln an der konkreten Konferenz über diejenigen Massnahmen, die an der nächsten realen Klimakonferenz im Zentrum stehen. Eine Klasse nimmt die Rolle der Medien ein. Sie führt Interviews, schreibt Blogbeiträge, Hintergrundberichte, Berichte zu den Konferenzsitzungen und einen Schlussbericht mit Kommentar zu den Beschlüssen. Eine andere Klasse organisiert mit uns die Konferenz, leitet die Sitzungen und versucht, das Projekt auch in die richtigen Medien zu bringen (z. B. hier in "Der Landbote").

Innovationspotenzial

Die Hauptinnovation ist schon fast revolutionär: Der Lernraum unserer Lernenden wird nicht nur wie in unserem ersten Projekt über die Fächer hinaus vernetzt, sondern über die Klassen, ja sogar über die Schulen hinweg. Das kann der Beginn eines Paradigmawechsels sein, wo die Lernenden nicht mehr an Schulen oder gar Klassen gebunden sind und wo LP zu einem überschulischen Kollegium zusammenwachsen. Zudem entspricht dieses grossräumige Lernen der Problematik um den menschgemachten Klimawandel, die ebenfalls nicht lokal und alleine gelöst werden kann.
Diese Themenwahl ist selber innovativ: Obwohl schon lange bekannt ist, dass der Klimawandel das Leben der jungen Generationen wesentlich prägen wird, hat der Klimawandel als Thema trotzdem kaum in die Lehrpläne gefunden. Niklaus Schatzmann machte an der LKB-Versammlung vom 18. November 2021 Lücken in der politischen Bildung und in der Bildung zu nachhaltiger Entwicklung aus, welche mit der ABU-Revision in zwei bis drei Jahren geschlossen werden sollen. Auf BM1-Niveau werden diese Lücken aber bestehen bleiben. Diese können wir mit unserem Projekt weitgehend schliessen.
Damit unser Projekt weder die Lernenden noch die LP in Zeitnot bringt, integrieren wir möglichst viel Lehrplanstoff in die Klimakonferenz(vorbereitung). So wird aus theoretischem Unterricht und abstrakten Übungen der Einzelfächer eine Simulation, in der die Lernenden eine echte Rolle spielen. Die Lehrplaninhalte der Fächer werden im Rollenspiel erlebbar und praktisch sinnvoll angewendet. Die Lernforschung und die Entwicklungspsychologie zeigen schon lange immer wieder: Nachhaltiges Lernen gelingt nur durch emotionale und soziale Erfahrung! Wir framen Lernen dadurch neu: Die Lernenden führen nicht mehr Aufträge aus, um gute Noten zu erhalten, sondern versuchen, Probleme zu lösen, um ihr eigenes Leben zu verbessern.
Eine weitere Innovation ist, dass wir damit das Handlungskompetenzmodell (HKM) umsetzen. Zwar stellen die neuen Lehrpläne auf das HKM ab, das persönliche Ressourcen wie (Selbst-)Reflexion, Sozialkompetenzen, IKT-Kompetenzen, Arbeits- und Lernverhalten fördern will. Doch dessen Umsetzung wird weder eingefordert, noch wird den LP gezeigt, wie sie dies in der Fülle zu vermittelnder Fachkompetenzen unterbringen können. Unser Ansatz integriert die HK-Orientierung durch problemlösungsorientierte Anwendung des Lehrplanstoffs.

Didaktisch-methodisches Konzept

Die fünf fundamentalen Pfeiler unseres Konzeptes sind:

1. Die konsequente Vernetzung von Fachinhalten miteinander: Wie vorher erläutert, kann die Problematik des Klimawandels nur in einem interdisziplinären Ansatz verstanden und angegangen werden.

2. Das Rollenspiel: Die Lernenden konsumieren nicht einfach Unterricht und lösen anschliessend fiktive Übungen dazu, sondern sie erarbeiten sich das Thema sowie die Position ihres Landes, das sie spielen. Sie entwickeln aus ihren Erkenntnissen eine Strategie und setzen sie an der Konferenz um. Damit fördern wir die HK hauptsächlich im Sektor Spiel und Simulation unseres selbstentwickelten Spektrum-Modells. Die Vor-und Nachbereitungen decken die anderen Sektoren des Modells und damit andere HK ab, wie die nächsten Punkte zeigen.

3. Die vielfältige Perspektivenintegration: Um an der Konferenz erfolgreich zu sein, müssen die Lernenden nicht nur die Position und Strategie ihres Landes verstehen, sondern auch die der anderen Länder. Sie müssen deren Perspektiven einnehmen und deren potenziellen Argumente und Allianzen gegen die eigenen abwägen können. Damit arbeiten sie sich breit ins Thema ein und trainieren ihre fachlichen, sozialen und im Bereich Strategie ihre methodischen HK.

4. Der spielerische und kompetitive Charakter: Er involviert die Lernenden in den Stoff und motiviert sie, besser zu sein als ihre Mitstreiter:innen. Damit sind alle motiviert, ihr Bestes zu geben. Entsprechend lernt jede:r an der Grenze ihrer bzw. seiner jeweiligen Fähigkeiten, da wo Lernen entsteht. Da lernt man viel effektiver als bei klassischen Klassenaufträgen, die für einige Lernenden zu schwierig und für andere zu einfach sind, was deren Motivation angreift und zu Frustration führt.

5. Die Auswertung: Am Schluss werten die Lernenden ihre Erfahrungen aus und reflektieren einerseits, welche Strategien funktionieren, welche nicht, andererseits aber auch wie sie sich selber in dieser Situation erfahren haben. Damit fördern wir nicht nur ihre Lern-und Selbstkompetenz, sondern stärken sie in ihrer Persönlichkeit.

Wirkung

Die Lernenden profitieren gleich auf fünferlei Ebenen von diesem Ansatz:

1. Sie lernen schneller, da sie den Sinn einsehen und an der Konferenz brillieren wollen. Aber auch weil sie weder über noch unter ihrem Niveau herausgefordert werden.

2. Sie lernen motivierter und nachhaltiger, weil sie leichter die Relevanz der Fachinhalte erkennen und ihre eigene Perspektive hineinbringen können. Aber auch, weil sie im Rollenspiel selber aktiv werden und daher nicht nur Wissen pauken, sondern ihr Wissen anwenden und so die vorher genannten HK erlernen.

3. Sie lernen, dass sie dem Klimawandel nicht ausgeliefert sind, sondern zusammen etwas erreichen können. Sie lernen aber auch den Umgang mit der Erfahrung, dass sie nicht alles erreichen können. Die grosse Gefahr, bei diesem Thema zu resignieren, vermindern wir so.

4. Sie erfahren, dass sie nicht für die Schule, sondern für sich selber lernen. Sie erleben, dass die LP sich für sie und ihr Wohlbefinden interessieren und einsetzen, was motivierend wirkt und ihren Selbstwert stärkt.

5. Sie werden in ihrer Persönlichkeit gestärkt. Über die Selbsterfahrung in der Konferenz und die Selbstreflexion stärken sie ihr Selbstbewusstsein sowie viele soziale Kompetenzen v. a. im Bereich Verhandeln. Damit steigern wir die Berufschancen unserer Lernenden nachhaltig. Auch die Forschung zeigt: Emotionale und soziale Kompetenzen stellen auf dem Arbeitsmarkt die Fachkompetenzen immer mehr in den Schatten. Letztere haben zudem eine immer geringere Halbwertszeit, während Persönlichkeitsstärken nie veralten.

Die LP profitieren vom Austausch über ihre Fachschaft und ihre Schule hinaus. Bei jedem Durchspielen einer Konferenz entsteht eine andere Dynamik und es kommt zu einem anderen Ausgang, was die Arbeit spannend hält. Es macht mehr Spass, mit motivierten und engagierten Lernenden an bedeutungsvollen Herausforderungen zu arbeiten.

Unser Projekt zeigt, wie die Digitalisierung zum Anbieten überschulischer Angebote genutzt werden kann. Je mehr unsere Schulen diese Möglichkeiten nutzen, um von Einzelanbietenden zu einem Gesamtangebot für unsere Lernenden zusammenzuwachsen, desto reichhaltiger und besser werden unsere Lernenden gefördert, aber auch desto stärker ist der Auftritt des Bildungskantons Zürich im Wettbewerb mit anderen Kantonen, Privatschulen und internationalen Online-Schulen.

SAMR-Modell

Erläuterung zum SAMR-Modell.

Im SAMR-Modell kann das vorliegende Projekt im Bereich "Redefinition" eingeteilt werden, weil es mit techn. Unterstützung schulübergreifende Aufgaben ermöglicht, welche vorher so nicht denkbar waren.

Mehr
 
Am 01.03.2024 erschien ein Bericht im Schulblatt über das Innovationsfondsprojekt "TransScolar".
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